von Dr. Esther van de Vosse |  25 November 2021 –
(Zitiert und übersetzt ins Deutsche von Dr. Norbert Grzibek – nicht von der Autorin geprüft)

Effektivität der Impfung („Impfeffektivität“ = IE): Was ist damit gemeint?

Im Dezember schrieb ich einen Blog über die damals gerade verfügbar gewordenen COVID 19- Impfungen, in dem ich Fragen zu Impfungen beantwortete, die von anderen gestellt wurden. Mit dem fortschreitenden Bekanntwerden zusätzlicher Informationen habe ich den Blog weiter überarbeitet und aktualisiert.

Zwischenzeitlich hat sich die Fragestellung verschoben von ursprünglich: „Was ist da drin?“ zur neuen Fragestellung: „Wie lange bleiben Impfungen wirksam?“ Deshalb veröffentliche ich an dieser Stelle einen neuen Blog, in dem Daten aus wissenschaftlichen Studien aufgearbeitet werden, um diese neue Frage zu beantworten.

Vorab:  Auf was zielt der Begriff Effektivität der Impfung oder „Impfeffektivität“ (IE) eigentlich? Der Begriff Impfeffektivität zielt auf die Verhinderung von Erkrankungen. Eine IE von 95% bedeutet, dass 95% der Erkrankungsfälle durch COVID 19 vermieden werden.

Aber Vorsicht: Der Begriff der Impfeffektivität hat noch niemals eine Aussage darüber erlaubt, ob man sich mit dem Corona-Virus angesteckt hat (was mit einem positiven Corona-Test nachgewiesen wird). Die Vermeidung von Virus im Körper (Ansteckung) war auch niemals das Ziel der Impfstoffentwicklung (obwohl man gehofft hatte, das könnte vielleicht ebenfalls durch Impfungen erreicht werden) und die Vermeidung von Ansteckungen wurde in den meisten Impfstoff-Studien deshalb auch niemals als Bewertungsfaktor angegeben.

Impfeffektivität

Impfeffektivität zum Zeitpunkt der Bereitstellung der Impfstoffe

Während der Entwicklungszeit der Impfstoffe gab die WHO vor, dass eine IE von 50% ausreichend sein sollte, um einen Impfstoff zulassen zu können. Glücklicherweise lag die tatsächliche IE der meisten Impfstoffe viel höher:

  • Das  Pfizer vaccin  (BioNTech) verhinderte 95% der COVID-19 Erkrankungen.
  • Das Moderna vaccin verhinderte 93.2% der COVID-19 Erkrankungen und sogar 98.2% der schweren Erkrankungen (beachte: Zusätzlich wurde in 63% der Phase II-Studie ein Schutz gegen sogenannte asymptomatische Infektionen nachgewiesen (also ein Infektionsnachweis durch positive Corona-Tests obwohl die Testperson keine Symptome einer Erkrankung zeigte).
  • Das Janssen vaccin (Johnson & Johnson) verhinderte 67% der COVID-19 Erkrankungen und 77% der schweren Erkrankungen. Eine spätere Studie ergab einen Schutz gegen Ansteckungen mit dem Virus (unabhängig von einer Erkrankung des Patienten) in 73.6% der Fälle.
  • Das AstraZeneca vaccin verhinderte 74% der COVID-19 Erkrankungen und 94% der Hospitalisierungen (Aufnahme des Patienten in ein Krankenhaus). Ein Schutz gegen eine bloße Ansteckung (unabhängig von einer Erkrankung des Patienten) schien zumindest in 64.3% zu bestehen.
Pfeizer Impfeffektivität
Die rote Linie im Schaubild zeigt den Prozentsatz von Personen, die auch nach einer Impfung mit dem (BioNTech) Pfizer-Impfstoff an COVID-19 erkrankten. Die blaue Linie im Schaubild zeigt den Prozentsatz von Personen, die ungeimpft an COVID-19 erkrankten.

Die obenstehende Grafik zeigt deutlich, dass der BioNTech/Pfizer-Impfstoff auch nach 6 Monaten noch sehr gut gegen das Auftreten von COVID-19 Symptomen schützt. (Diese Daten stammen aus der Zeit vor der Verbreitung der Delta-Variante)).

Nimmt die Wirksamkeit der Impfung mit der Zeit ab?

Es gibt inzwischen Berichte darüber, dass die Impfeffektivität der verimpften Vakzine mit der Zeit abnimmt. Vergleicht man die Abnahme der Impfeffektivität bei Corona-Impfungen gegen die Abnahme der IE bei Impfungen gegen andere Krankheiten, wo die Impfeffektivität zwischen 10-15% abnimmt, so ist die Tatsache, dass auch bei COVID-19 Vakzinen die IE abnimmt nicht verwunderlich.

Für den Impfstoff von Pfizer (BioNTech) ergab sich aus einer Studie mit fast 3,5 Millionen Teilnehmern, dass das Vakzin diejenigen Geimpften, die ins Krankenhaus mussten (Hospitalisierung), noch 6 Monate nach der zweiten Impfung gegen 93% der schweren Verläufe durch Infektionen mit der Delta-Variante schützte. In dieser Studie hat man übrigens auch die Testergebnisse aus durchgeführten Corona-Teste angeschaut: Es ergab sich daraus, dass der Schutz gegen die Infektion mit dem Virus (unabhängig vom Auftreten einer Erkrankung) nach 4 Monaten auf 53% sank. Aber noch einmal: Ein Schutz vor Infektion ist ein positiver Nebeneffekt und war keine Vorgabe / kein Entwicklungsziel bei der Entwicklung der Impfstoffe. Ihr Entwicklungsziel war nur der Schutz vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen.

In einer anderen Studie betreffend den Impfstoff von BioNTech/Pfizer, die vor der Verbreitung der Delta-Variante durchgeführt wurde), ergab sich nach 6 Monaten eine IE und damit ein Schutz von 91% gegen das Auftreten von Krankheitsmerkmalen / Symptomen einer COVID-19 Infektion und eine IE (Schutz) in 96.7% der geimpften Personen gegen schwere Verläufe einer COVID-19 Erkrankung.

Bei den Personen, die eine Impfung mit dem Vakzin von Moderna erhalten hatten gab es nach 4 Monaten nach der vollständigen Impfung kaum messbare Rückgänge der IE. Die IE sank in diesem Zeitraum lediglich von 93% auf 92%.

In Bezug auf den Janssen Impfstoff  (Johnson & Johnson) sind noch keine ausreichenden Daten zur Abnahme der IE verfügbar – möglicherweise deshalb, weil dieser Impfstoff weniger verimpft wird.

In einer großen Studie im Vereinigten Königreich (UK) ergaben sich innerhalb von 5 Monaten nur mäßige Rückgänge der IE für den Impfstoff von Pfizer (BioNTech) und für den von AstraZeneca. Immerhin ergab sich bei vollständigen Impfungen mit  AstraZeneca  für mit der Delta-Variante Infizierte ein Schutz gegen Hospitalisierung (Krankenhausaufenthalte) in 77.0% der Fälle (zum Zeitpunkt direkt nach vollständigem Impfschutz waren 94% der Delta-Infizierten mit AstraZeneca gegen Hospitalisierung geschützt), und bei vollständiger Impfung mit dem Impfstoff von  Pfizer  (BioNTech) ein Schutz gegen Hospitalisierung für 92.7% der Betroffenen.

Auch in New York gab es eine Studie, die mehr als 10 Millionen vollständig Geimpfte und 4,5 Millionen Ungeimpfte einbezog. Daraus ergab sich, dass der Schutz gegen Infektion mit dem Virus (= positiv getestet, unabhängig vom Auftreten von Krankheitssymptomen) mit der Zeit tatsächlich abnahm. Der Schutz gegen Infektion nahm dort insgesamt von 91.8% auf 75.0% ab (in der Kohorte der 18-49-Jährigen von 91.8% auf 71.6%, in der Kohorte der 50-64-Jährigen von 92.9% auf 78.0% und in der Kohorte der Personen über 65 Jahren von 90.5% auf 80.0%). Zusätzlich zeigte sich auch in dieser Studie ein immer noch sehr hoher Schutz der Geimpften gegen schwere Verläufe von COVID-19 Erkrankungen, der immerhin für zwischen 89.5% bis 95.1% der Personen bestand. Auch wenn in der Studie für New York nicht nach Impfstoff unterschieden wurde, sind dort von allen Geimpften 51% mit dem Impfstoff von Pfizer/BioNTech, ungefähr 40% mit Moderna und 9% mit Janssen/ Johnson & Johnson geimpft.

In einem hier verlinkten, online publizierten Artikel wurde behauptet, dass die Impfeffektivität des Impfstoffs von Janssen / Johnson & Johnson auf nur 13% abnähme. Dieser Artikel wurde dafür mit dem Argument kritisiert, dass die dort gezeigten Grafiken nicht auf tatsächlichen, sondern auf projektierten (vorausgerechneten) Zahlen basieren und die Ausgangswerte für die Projektion nur wenige echte Datenpunkte umfassen. Die Kritiker haben das diesem Artikel zugrunde gelegte Berechnungsmodell deshalb als nicht plausibel bezeichnet. 

Tatsächlich wir die Abnahme der Impfeffektivität übertrieben:

Verschiedene Publikationen melden dazu, dass Auffrischungsimpfungen (Booster-Impfungen) vorläufig nicht für jeden erforderlich seien. Einer findet sich in einem Leitartikel im British Medical Journal und ein anderer in The Lancet. Tatsächlich können Betroffene (zum Beispiel Menschen mit geschwächten Immunsystemen), von einer Auffrischungsimpfung / einem Booster profitieren.

Eine dritte Impfung mit dem Impfstoff von Pfizer / BioNTech schützt auf jeden Fall besser gegen schwere Verläufe von COVID-19, gegen eine Aufnahme im Krankenhaus, und gegen Tod durch eine Infektion. Die Studienergebnisse ergaben sich in einer zweiwöchigen Nachverfolgung nach erfolgter Auffrischung / Bosster. Längerfristige Daten sind der Autorin noch nicht bekannt.

Wann endet endlich die Pandemie?

Im Moment (zur Mitte des November 2021) wurden weltweit mehr als 4,2 Milliarden Menschen minimal mit 1 Dosis geimpft. Das klingt zwar nach viel, ist aber gerade mal ein bisschen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung.

Impfung und Mortalität in Europa
Links sehen Sie die Daten (data  des ECDC (European Center for Disease Prevention), rechts eine Grafik zur Mortalität, die Ricardo Inacio  aus diesen Daten erstellte.

Vergleicht man je Land die Anzahl der Todesfälle pro einer Million Einwohner mit der jeweiligen Impfquote, so kann man in der Grafik einen deutlichen Zusammenhang erkennen: Impfen schützt vor infektionsbedingtem Versterben.

Sobald der überwiegende Teil der Weltbevölkerung eine gute Immunität gegen SARS-CoV-2 erreicht, sei es durch Impfungen oder durch eine natürliche Infektion mit dem Virus, wird die COVID-19 Pandemie unter Kontrolle sein. Das Problem der Pandemie ist nicht so sehr, dass sich Menschen anstecken, sondern dass so viele Menschen schwer erkranken, im Krankenhaus landen und sterben (die offiziellen Zahlen gehen weltweit bereits von 5 Millionen Toten durch COVID-19 aus, die wirkliche Anzahl beträgt wahrscheinlich weltweit mehr als 10 Millionen Tote). Durch diese Konzentration auf COVID-19 wird auch das Augenmerk von anderen schweren Erkrankungen abgelenkt (insbesondere werden Operationen zurückgestellt, weil nicht genug Intensivbetten verfügbar sind).

Nach dem heutigen Verlauf der Pandemie gehen wir davon aus, dass das SARS-CoV-2 Virus sich zweifelsohne genauso verhalten wird, wie die vier anderen weitverbreiteten Corona-Virusarten, die schon seit Jahrhunderten verbreitet werden und vielen Menschen vor allem in den Wintermonaten eine kräftige Erkältung verursachen.

Ein herzliches Dankeschön an Dr. Norbert Grzibek, für diese übersetzung.